Viele Selbständige schieben das Thema Altersvorsorge vor sich her. Zu komplex, zu unübersichtlich, zu unangenehm. Der Blick auf den Rentenbescheid kann ja auch ein mulmiges Gefühl auslösen.
Alexandra Grassler, Gründerin der Frauenfinanzschule, Finanzmentorin und frischgebackene Jubilarin mit 30 Jahren Selbständigkeit, kennt diese Sorgen aus unzähligen Gesprächen. Im Interview erzählt sie, warum Altersvorsorge für Selbständige ein zentrales Thema sein sollte, welche Missverständnisse hartnäckig kursieren und welche ersten Schritte jede:r sofort gehen kann.
Alexandra, du hast kürzlich dein 30-jähriges Firmenjubiläum gefeiert. Herzlichen Glückwunsch! Erinnerst du dich noch an deinen allerersten Berührungspunkt mit dem Thema Altersvorsorge? Wie hast du damals darüber gedacht?
Alexandra: Vielen Dank, liebe Maren. Mein erster Berührungspunkt war wahrscheinlich schon in meiner Kindheit. Ich bin in einem Haushalt groß geworden, in dem das klassische Rollenmodell vorherrschte: Mein Vater ging arbeiten, meine Mutter war zu Hause. Und meine Mutter predigte mir immer wieder: „Kind, mach dich niemals von einem Mann abhängig.“
Ich habe sehr früh verstanden, wie wichtig finanzielle Unabhängigkeit ist. Vor allem für uns Frauen. Denn nur, wenn wir unser Finanzleben aktiv in die Hand nehmen, haben wir die Sicherheit, im Alter gut für uns sorgen zu können. Helma Sick hat das einmal prägnant auf den Punkt gebracht: „Ein Mann ist keine Altersvorsorge.“ Genau das sollten wir uns immer wieder bewusst machen.
Welche Glaubenssätze oder Missverständnisse in Sachen Altersvorsorge begegnen dir bei Selbständigen besonders häufig?
Alexandra: Das größte Missverständnis ist das Ausmaß der eigenen Rente. Besonders Frauen sind regelrecht schockiert, wenn sie die Zahlen sehen: Die durchschnittliche Frauenrente in Deutschland liegt unter 600 Euro. Wer Kinder hat oder wegen Familie zeitweise weniger arbeitet, fällt noch weiter zurück.
Das zweite Missverständnis betrifft die Inflation. Viele unterschätzen, wie stark sie die Kaufkraft schmälert und wie sehr das Altersvorsorgepläne beeinflusst.
Und ein weiterer verbreiteter Irrglaube: „Ich bin ja in meiner Ehe versorgt.“ Angesichts von Scheidungsraten um die 50 Prozent ist das hochriskant. Altersvorsorge funktioniert nicht nebenbei. Weder mit einer Halbtagsstelle noch mit einer „kleinen Selbständigkeit“ lässt sich genug fürs Alter ansparen, wenn man nicht aktiv gegensteuert.
Viele Selbständige haben schwankende Einkünfte. Wie kann man trotzdem stetig vorsorgen, ohne dass es sich wie ein starrer Zwang anfühlt?
Alexandra: Entscheidend ist, Altersvorsorge als festen Teil des Budgets zu betrachten. Nicht als Option, wenn gerade etwas übrig bleibt. Wer unregelmäßige Einnahmen hat, braucht besonders klare Strukturen: Überblick über Ausgaben, Einnahmen und ein Budget, das sowohl einen Mindestbetrag für schlechte Monate als auch höhere Beträge für gute Monate vorsieht.
Und ja, manchmal kommt das Gefühl von „Zwang“ daher, dass schlicht zu wenig Umsatz da ist. Dann hilft es, den Blick auch darauf zu richten: bessere Projekte akquirieren, besser bezahlte Kunden gewinnen, die eigene Selbständigkeit so aufstellen, dass mehr finanzieller Spielraum entsteht.
Welche ersten drei Schritte empfiehlst du jemandem, der heute starten möchte?
Alexandra: Sofort anfangen. Am besten mit einem kleinen ETF-Sparplan. Lieber klein starten als gar nicht.
Ein Haushaltsbuch führen. So wird klar, wo das Geld tatsächlich bleibt und was man regelmäßig investieren kann.
Wenn du in einer Partnerschaft lebst: Offen reden. Wenn eine Person Vollzeit arbeitet und die andere reduziert oder selbständig ist, braucht es faire Ausgleiche – etwa durch private Einzahlungen oder gemeinsame Sparpläne. Viele Frauen scheuen diese Gespräche, aber sie sind entscheidend.
Und wer nicht in Partnerschaft lebt: Bau dir ein Umfeld auf, in dem über Finanzen gesprochen wird. Wir brauchen mehr Austausch über Geld – in Netzwerken, mit Freundinnen, in kleinen vertrauensvollen Kreisen.
Welchen Satz würdest du Selbständigen mitgeben, um ihnen Mut zu machen?
Alexandra: Der Untertitel meiner Frauenfinanzschule lautet: „Alles lässt sich lernen.“ Das gilt auch für Finanzen. Das Schlimmste ist, den Kopf in den Sand zu stecken. Holt euch Bücher, sprecht in eurem Netzwerk darüber, sucht unabhängige Beratung. Lieber zu spät anfangen als nie. Altersvorsorge ist nur eine weitere Hürde. Und Hürden überwinden, das kennen Selbständige nur zu gut.
Maren: Vielen Dank für das Gespräch und das Mut machen. Ich nehme mit: Altersvorsorge ist keine Raketenwissenschaft, aber auch nichts, was man auf die lange Bank schieben sollte. Entscheidend ist, das Thema zur eigenen Verantwortung zu machen und Schritt für Schritt ins Handeln zu kommen.
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